Wartezeiten, die tödlich enden können!
Stellen Sie sich vor, Sie oder ein geliebter Mensch erhält die beunruhigende Nachricht, dass ein Verdacht auf Krebs besteht. Doch statt sofortiger Hilfe und rascher Diagnose, die in einer solchen Situation entscheidend sein könnte, stehen Sie vor einem bürokratischen Labyrinth. In Österreich müssen Patienten teilweise bis zu 12 Wochen auf wichtige Diagnoseverfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) warten. Diese Verzögerungen im Abklärungsprozess sind nicht nur frustrierend, sondern können laut aktuellen Studien die Sterblichkeit signifikant erhöhen.
Ein Gesundheitssystem am Limit
Die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (OeGHO) hat in einer aktuellen Studie die alarmierenden Fakten auf den Tisch gelegt. Trotz der beachtlichen Fortschritte in der Krebsbehandlung, die seit den 1990er Jahren zu einem Rückgang der Krebssterblichkeit um 36 Prozent bei Männern und 31 Prozent bei Frauen geführt haben, steht das Gesundheitssystem vor einer großen Herausforderung: der steigenden Zahl von Krebspatienten. Aktuell leben rund 419.000 Menschen in Österreich mit Krebs – Tendenz steigend.
Dr. Florian Trauner von der Gesundheit Österreich GmbH erklärt: „Onkologische Patienten haben häufig Arzttermine. Je mehr Therapielinien zum Einsatz kommen, desto öfter finden Arztbesuche statt, und je länger die jeweilige Erkrankung dauert, desto mehr Spitalsbesuche sind notwendig.“ Die Zahlen sprechen für sich: Zwischen 2017 und 2024 stieg die Anzahl der Krebs-Patienten, die eine Bestrahlung oder medikamentöse Therapie erhalten, um 33 Prozent. Die Spitalskontakte mit medikamentösen Therapien nahmen sogar um 46 Prozent zu.
Verzögerungen erhöhen das Risiko
Die Wartezeiten auf diagnostische Untersuchungen sind nicht nur ärgerlich, sondern potenziell lebensgefährlich. Eine Meta-Studie zeigt, dass eine Verzögerung bei Krebsoperationen um vier Wochen die Mortalität um 6-8 Prozent erhöht, bei Strahlen- oder medikamentöser Therapie sogar um 9-13 Prozent. Kathrin Strasser-Weippl von der OeGHO betont: „Wir haben als betreuende Onkologen wenig Handhabe, diesen Prozess zu beschleunigen.“ Dies liegt daran, dass das österreichische Gesundheitssystem keine eigene Kategorie der „Dringlichkeit“ für Krebspatienten im Abklärungsprozess vorsieht.
Internationale Vorbilder zeigen Lösungen auf
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es auch anders geht. Der britische National Health Service (NHS) hat mit dem „Urgent Cancer Referral“ strikte Fristen für die Abklärung eines Krebsverdachts eingeführt. In Dänemark konnte das ‚Cancer Patient Pathways Program‘ die Wartezeit auf Diagnosen reduzieren und das Drei-Jahres-Überleben von 45 auf 54 Prozent steigern. Italien und Spanien haben ebenfalls erfolgreiche Fast-Track-Programme etabliert.
Dr. Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) erklärt: „Derzeit haben wir de facto keine Priorisierung bei der Diagnostik. Das führt dazu, dass ein hoher Anteil an nicht evidenzbasierten Diagnoseschritten das System verstopfen. Es gilt, nicht notwendige Inanspruchnahme zu reduzieren und mit strukturierten Fast-Track-Diagnoseprogrammen die Effizienz zu steigern.“
Ein Aufruf zur Umstrukturierung
Die OeGHO fordert dringend die Einführung eines Instruments der „onkologischen Dringlichkeit“ im österreichischen Gesundheitssystem. OeGHO-Präsident Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll betont: „Das würde uns die Möglichkeit geben, die Patienten – abhängig von der medizinischen Einschätzung – zu priorisieren und im Abklärungsprozess rasch durchs System zu lotsen.“
Die Einführung solcher Maßnahmen könnte nicht nur Leben retten, sondern auch die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern. Ein strukturiertes System würde nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Versorgungsgerechtigkeit gewährleisten.
Fazit: Ein dringender Handlungsbedarf
Die aktuelle Versorgungssituation zeigt, dass es höchste Zeit für eine Reform im Gesundheitssystem ist. Die Verzögerungen bei der Diagnose und Behandlung von Krebs können tödliche Folgen haben. Mit der Einführung von Dringlichkeitskriterien und Fast-Track-Programmen könnte Österreich von den Erfolgen anderer europäischer Länder lernen und die Versorgung seiner Bürger erheblich verbessern. Es liegt nun an den Entscheidungsträgern, die notwendigen Schritte zu setzen, um das Gesundheitssystem für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Österreichischen Onkologie Forums unter https://www.oesterreichisches-onkologie-forum.at/.